Wenn wir das Wort Selbstliebe merkwürdig finden, liegt es vielleicht daran, dass wir es mit Selbstverliebtheit verwechseln. Selbstverliebtheit klingt für viele nach Verliebtheit, dieses erste euphorische Gefühl, wenn wir jemanden kennengelernt haben. Wie real nehmen wir die Person in dieser ersten Phase wahr, und zwar wirklich?
Das haben wir meist eine rosarote Brille auf, die die Realität erstmal verstellt, der Alltag kommt erst viel später. Am Anfang idealisieren wir oder verehren wir diesen Menschen. Das ist wie ein bearbeitetes Bild mit Filtern auf Social Media. Verliebtheit ist also eine Art „Illusion“.
Wahre Liebe hat aber nichts mit Illusionen zu tun. Wahre Liebe ist das, was wir in der Realität erfahren und lieben. Wenn wir jemand wirklich lieben, lieben wir die Person nicht, weil sie perfekt ist, sondern gerade wegen der Unperfektheit. Bei der wahren Liebe sind beide Partner*innen auf Augenhöhe und zufrieden mit der Realität.
Bei Selbstverliebtheit stellen wir uns selbst auf eine Bühne, und blicken auf alle anderen hinunter. Wir machen die anderen klein, damit wir uns selbst größer fühlen. Das ist wie sich selbst durch eine rosarote Brille oder Filter zu sehen. Wir blenden eigene Schwächen und Fehler aus.
Bei Selbstliebe geht es nur um uns selbst
Aber bei wahrer Selbstliebe sind wir nicht auf unseren Partner, Familien, Kinder, Eltern, Freunde oder Kollegen angewiesen. Selbstliebe braucht keinen anderen. Es ist kein Egoismus, sich um sich selbst kümmern.
Wie oft geschieht es, dass Menschen erwarten, dass die anderen sie lieben und dabei hassen sie sich und lehnen sich selbst ab? Wahre Liebe ohne Selbstliebe ist aus meiner Sicht nicht möglich. Solange ich keine Liebe in mir habe, kann ich sie weder teilen noch empfangen.
Was ist jetzt der Unterschied zum Narzissmus?
Als narzisstische Persönlichkeitsstörung wird eine andauernde und grundlegende Störung des Selbstwertgefühls bezeichnet. Dabei wird oft das eigene Selbst innerlich abgelehnt, während sich der Narzisst nach außen übertrieben selbstverliebt gibt. Der Patient strebt ständig nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. (Quelle: DocCheck Flexicon, ICD-10). Aber sind wir nicht alle mal auf eine Bestätigung von außen angewiesen? Ich denke nicht, wenn wir mit uns im reinen sind. Denn oft wird die Bestätigung von außen gebraucht, weil wir uns die nicht selbst geben können. So kann sich sogar ein Zwang und vielleicht auch eine Abhängigkeit von anderen entwickeln.
Fazit
Selbstliebe hat nichts mit Selbstverliebtheit zu tun und bedeutet nur, dass wir „Ja“ zu uns selbst sagen und mit uns selbst, im Reinen sind.
Dieser Artikel ist Teil einer Blogparade auf: https://zeitfuerheldinnen.de/selbstliebe-lernen/
danke, dass du das mit dem Egoismus aufgreifst.
Gerade als (alleinerziehende) Mutter hatte ich super oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich etwas nur für mich getan habe. Rabenmutter habe ich mich selbst genannt und völlig übersehen, dass ich für meine Tochter nur dann da sein kann, wenn ich für mich selbst sorge.
Absolut richtig erkannt. Gerade als Mutter ist das besonders wichtig. Ich bringe dazu immer das Beispiel im Flieger, wenn es heißt, im Fall des Druckabfalls setzen Sie sich bitte die Sauerstoffmasken zunächst selbst auf und danach helfen sie bitte anderen Mitreisenden. 🙂
JA! Liebe deinen Nächsten WIE dich selbst, nicht ANSTATT. Bzw. ich frage mich gerade, ob Eltern dieser Aufforderung tatsächlich folge leisten. Schließlich sind sie es ja gewohnt, tagtäglich dagegen zu verstoßen (quasi).
„Selbstverliebtheit blendet eigene Schwächen und Fehler aus.“ Ich finde, damit bringst du den Unterschied zur Selbstliebe perfekt auf den Punkt, liebe Sanaz. Toller Beitrag. Schön, dass du bei der Blogparade teilgenommen hast. Alles Liebe, Sandra